Der Comenius-Preis 2023 wurde am 17.11.2023 an Frau Christina Rau verliehen in Würdigung ihres nachhaltigen Eintretens für die Würde, die Rechte und das Wohl von Kindern und jungen Menschen.
Die Ansprache der Preisträgerin 2023
Liebe Frau Winkel, lieber Pfarrer Krolzik, Frau Staatsministerin, liebe Gabi, lieber Herr Bürgermeister Rüther, verehrte Festgäste und liebe Schülerinnen und Schüler des Bläserensembles
Es ist für mich eine große Ehre, dass der Vorstand der Comenius Stiftung in diesem Jahr beschlossen hat, mir den Johann-Amos- Comenius Preis zu verleihen und dass Sie, liebe Gabi Behler, die Laudatio auf mich gehalten haben. Herzlichen Dank.
In Bielefeld diesen Preis heute entgegennehmen zu dürfen ist für mich eine besondere Freude. Denn Bielefeld ist meine Heimatstadt. Und dann befinden wir uns auch noch auf dem Gelände der Ravensberger Spinnerei, an deren Gründung meine Vorfahren aus der Familie Delius maßgeblich beteiligt waren.
Auch Ihr Mann, liebe Frau Winkel, Professor Rainer Winkel, kommt aus einer Textilfamilie. Einige von uns haben sich ja vorhin das ehemalige Wohn- und Betriebsgebäude der Vereinigten Wäschefabriken der Gebrüder Winkel, anschauen können. Einen großen Dank an den Förderverein des Museums Wäschefabrik, die uns dieses Kleinod Nordrhein- westfälischer Textilwirtschaft erhalten haben.
Können Sie sich vorstellen, dass ich im ersten Moment, als ich den Brief von Frau Lydia Winkel und Pfarrer Volker Krolzik bekam, irritiert war? Vielleicht fragen Sie sich warum?
Bis jetzt war ich immer diejenige, die Menschen für ihr Engagement gedankt und bei Preisverleihungen mit Laudationen gewürdigt hat. Wie den meisten Menschen fällt es auch mir eher schwer, Dank anzunehmen.
Mir ist sehr bewusst, dass ich ohne die Prägung durch mein Elternhaus und ohne die Möglichkeiten, die ich als Frau des Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten Johannes Rau gehabt habe, nie so viel für Kinder und Jugendliche hätte erreichen können. Diese Möglichkeiten zu nutzen ist mir allerdings nie schwer gefallen.
Da hat mir sicherlich auch meine Schulzeit auf einem Internat in Schottland geholfen. Dort ist Engagement für das Gemeinwohl eine Selbstverständlichkeit. Im Wochenplan war ein Nachmittag für das Gemeinwohl reserviert.
Damals wurde ich Mitglied der Bergwache. Ich war auch ein Jahr lang verantwortlich für die Sauberkeit auf dem ganzen Schulgelände. Einmal wurde ich zum Direktor einbestellt, weil einige Mitschüler sich gegenseitig mit Apfelsinen beworfen hatten. So habe ich früh gelernt Verantwortung zu übernehmen.
Nach 11 Jahren in Großbritannien bin ich durch die Eheschließung mit meinem Mann, Johannes Rau, von London nach Wuppertal umgezogen. Mein Mann war damals schon Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und die Erwartungen, welche Schirmherrschaften ich wohl übernehmen würde, waren groß. Mir war damals wie heute bewusst, dass ein prominenter Name hilft, Aufmerksamkeit zu schaffen für diejenigen, die selber keine Stimme haben, die sie erheben können gegen Not und Leid. Vereine und Stiftungen erhofften sich mediale Aufmerksamkeit durch mein Mittun. Bürgerinnen und Bürger waren sich sicher dass, wenn ich ein Anliegen unterstützte, dies auch vorher gut geprüft hatte und dass ihr gespendetes Geld tatsächlich dort ankam, wo es gebraucht wurde. Und Kinder und Jugendliche in Projekten, die ich besuchte, fühlten sich gesehen und geachtet und das gab ihnen Mut. Das konnte ich spüren und oft sagten sie es auch.
Die Glaubwürdigkeit und Beliebtheit meines Mannes hat mir viele Türen geöffnet und einen Vertrauensbonus eingebracht. An so einem Tag wie heute bin ich besonders für das Vertrauen dankbar, dass Sie mit diesem Preis an mich zum Ausdruck bringen. Nicht nur meinem Mann verdanke ich viel, sondern auch allen großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die dazu beigetragen haben, dass ich so viel bewirken konnte.
Ich habe viel gelernt über bürgerschaftliches Engagement, auch durch die Briefe mit Bitten und Anliegen, die mich besonders als Frau des Bundespräsidenten nahezu täglich erreichten. Ich habe viele interessante Menschen kennen gelernt. Ein Highlight war für mich immer der Neujahrsempfang, zu dem Bürgerinnen und Bürger eingeladen wurden, die sich in verschiedenen Bereichen herausragend engagiert haben. Oft stellte ich dann fest, dass einzelne Initiativen, die sich für die Lösung ähnlicher Probleme einsetzten, gar nicht von einander wussten. So entstanden an solchen Tagen oft fruchtbringende neue Zusammenarbeiten.
Mein Großvater Bundespräsident Gustav Heinemann, sagte einmal „Ich bin der Kummerkasten der Nation.“ Ich kann verstehen, was er gemeint hat. Oft fühlte ich mich angesichts der großen Not in der Welt fast wie gelähmt. Aber dann half mir stets die Zuversicht meines Mannes, dass die Welt zwar im Argen liegt, dass aber nirgends geschrieben steht, dass sie dort auch liegen bleiben muss. Jeder von uns, ganz egal wo oder an welcher Stelle, ist dazu berufen, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass das Leben der Menschen ein Stück besser wird.
Sie, lieber Vorstand der Johann-Amos-Comenius-Stiftung, leben es uns vor. Seit der Gründung der Stiftung haben Sie viel Gutes bewirken können. Ohne Ihre finanzielle Unterstützung hätten viele Projekte zur Linderung der Not von Kindern und Jugendlichen nicht realisiert werden können. Sie haben Aufmerksamkeit auf Probleme und Lösungsmöglichkeiten gelenkt. Das möchten Sie auch mit dieser Preisverleihung.
25 000 Euro Preisgeld darf ich weitergeben an eine oder auch zwei mir am Herzen liegende Einrichtungen. Sie wird es nicht überraschen, dass ich zwei Projekte in Bielefeld ausgesucht habe. Zwei Projekte, die es wert sind, dass sie auch über Nordrhein-Westfalen hinaus strahlen. Das eine ist das Projekt des Kinderschutzbundes „Hilfe für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern“ und das zweite die Kinderschutzambulanz Bethel. Frau Dorothee Redeker, die Geschäftsführerin des Kinderschutzbunds Bielefeld und Frau Claudia Friedhoff, die Leitende Psychologin der Kinderschutzambulanz am EvKB, werden uns gleich aus ihrer Arbeit berichten.
„Die Gesellschaft lebt von dem, was Menschen über das ihnen Vorgeschriebene hinaus tun“ war ein Ausspruch meines Mannes. Sie, liebe Frau Winkel, Sie Herr Krolzik und ihre Mitstreiter in der Comenius Stiftung tun das. Alle die sich für den Kinderschutzbund und Bethel engagieren, tun das. Und auch ihr Schülerinnen und Schüler des Bläserensembles tut das.
Ihnen allen wünsche ich weiterhin viel Freude und Erfolg bei ihrem großartigen Tun.
Herzlichen Dank.